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Sonntag, 21. Oktober 2012

Goldener Oktober die Zweite - Hochkönig

Ich sitze also kurz nach zwölf Uhr am Samstag nachmittag an der Talstation der Hochfellnbahn im Auto und überlege, was ich mit dem restlichen Wochenende anfangen soll. Bei dem Wetter einfach nach Hause fahren? Niemals! Etwas Equipment habe ich ja vorsichtshalber ins Auto gepackt, und so fahre ich noch ein Stück weiter. Über Inzell nach Schneizlreuth (was für ein Name), in Österreich über Lofer und Saalfelden bis nach Hinterthal am Hochkönig. Der Plan: so schnell wie möglich rauf zur Bergtenhütte, dort übernachten, und am nächsten Tag auf den Hochkönig. Kurz nach drei mache ich mich auf dem Parkplatz an der Kirche auf den Weg. Man mag darüber streiten, wo die Grenze zwischen Wandern und "Berglaufen" ist, aber trotz der schweren Treter und Rucksack mit warmer Kleidung uns sonst allerhand Geraffel bin ich viertel nach vier 800 Meter weiter oben an der Hütte. Durch eine traumhafte Szenerie führt der Weg.



An der Hütte - sie ist nicht bewirtschaftet - muss ich erstmal eine Blase überkleben, die ich mir beim Aufstieg eingehandelt habe. Da es bis hier so gut gelaufen ist, noch einige Zeit bis zum Sonnenuntergang, die Wettervorhersage duch nichts getrübt ist, reitet mich - zur Gegend passend - der Teufel, und ich eile weiter zu dessen Löchern. So heißen zwei Felsenfenster ganz oben, durch die der Übergang zum Hochkönig führt. Wenn man genau hinschaut, kann man sie links der Bildmitte im Bild oben schon erkennen.

Zunächst komme ich zügig weiter, aber dann wird es ein ganzes Stück schwieriger. Rund 800 Meter hoch ist die Flanke noch hier aus noch (oder ist das schon eine Wand?), und die Umgebung etwas wilder. Kraxelei bis zum 2. Grad, gut markiert, aber nur stellenweise versichert. Da sollte man Schritte und Griffe doch mich Bedacht setzen.



Gute anderthalb Stunden brauche ich für die tausend Höhenmeter von der Hütte bis zum Übergang, und als ich oben bin, ist es kurz nach sechs, und ich finde mich als Teil des Alpenglühens wieder. Und da sind sie, die Teufelslöcher. Durch das rechte geht es nachher weiter.



Glühende Kalkwände.




Ein Blick zurück auf den Weg nach oben ...




... und durch das Fenster auf die Nordseite - hier ist Winter. Bis zum Matrashaus, das man von hier schon auf dem Gipfel sieht, muss ich heute noch.




Die auf dem Wegweiser angegebenen zwei Stunden brauche ich zwar nicht mehr ganz, aber mit ständigem Auf und Ab durch den Schnee sind die drei Kilometer ziemlich mühsam. Streckenweise wird es dann wirklich zum "Kniehebelauf", denn es wird schnell dunkel, und so kommt doch noch die Stirnlampe zum Einsatz.

Die Hütte hat zwar schon geschlossen, aber einen offenen Winterraum. Als ich den betrete, bin ich ziemlich unangenehm überrascht: ich hatte nicht als einziger die Idee, hier zu übernachten, und die 8 Lager sind teilweise doppelt belegt. Also ziehe ich alle warme Klamotten an, die ich dabei habe, und verbringe die Nacht mit den zwei übrigen Decken auf dem Fußboden unter einer Bierbank. Auf dem Holzboden kann ich mich drehen und wenden, wie ich will, nach 10 Minuten tun doch wieder die Knochen weh, und so bin ich heilfroh, als es draußen nach mehr als 10 Stunden endlich wieder hell wird.

Dann werde ich für die gequälte Nachtruhe entschädigt. Einen Sonnenaufgang in den Bergen kann man nicht beschreiben, auch Bilder geben das nur ansatzweise wieder.

Das Licht, kurz bevor die Sonne sich zeigt.




Die ersten Strahlen.



Verschneite Gipfel im bleichen Morgenlicht. Hier die Hohen Tauern, links der Großglockner, rechts das Große Wiesbachhorn.




Die Watzmann-Ostwand.



Die Sonne steigt dann langsam höher.




Aber irgendwann muss ich weiter. Salami und Brot zum Frühstück, dann geht es auf der anderen Seite wieder ins Tal. Zunächst wieder durch den Schnee.



Über steinige Pfade. Leichtes Bergabtraben geht nur stellenweise.



Und dann viele Kilometer unter den Südabstürzen des Hochkönigs entlang. Über malerische Almen ...



... vorbei an überfüllten Hütten ...



... und endlich wieder zurück in Hinterthal. Fast 30 Kilometer seit dem Gipfel.



Auf der Heimfahrt kann mich nicht einmal der zähe Verkehr auf der A8 ärgern, genausowenig wie die Blasen, die der Versuch, längere Strecken in Bergschuhen zu laufen, an meinen Fersen hinterlassen hat. Wie meinen doch die Toten Hosen: "An Tagen wie diesen ...".

Samstag, 20. Oktober 2012

In die Luft gehen am Hochfelln


Noch so ein traumhaftes Wochenende soll es werden. Und ich habe vom Chiemgauer 100er ja auch noch einen Gutschein, den ich einlösen muss. Also rufe ich am Donnerstag beim Tandem-Gleitschirmpiloten an, und habe ein Date. Am Samstag morgen stehe ich also in Bergen beim Chiemsee an der Talstation der Hochfellnbahn. Das Wetter passt ja schonmal.



Und um zehn spricht mich auch jemand an - der Tandempilot Pele. Alles, was ich zum In-die-Luft-Gehen brauche (also eigentlich nur eine Jacke, Handschuhe und Stirnband) kommt in den großen Sack mit der Ausrüstung, der mit etwa 30 Kilo mit der Bahn rauffährt. Pele macht neben der Fliegerei auch Bergläufe, und so ist es Ehrensache, dass wir beide zu Fuß hochgehen. "Gehen" ist relativ, die doch schon zahlreichen Wanderer machen uns teilweise kopfschüttelnd Platz, und oben bekomme ich bestätigt, dass wir mit unserer Zeit beim Hochfelln-Berglauf durchaus nicht bei den letzten gewesen wären.

Die Sicht am Gipfel ist heute phänomenal.




Dann wird der zur Windrichtung passende Startplatz ausgesucht, der Schirm ausgebreitet, angezogen, angegurtet.



Kurze Instruktion zum Start, und dann müssen wir nur noch warten, bis wieder genug Wind da ist. Sonst könnte man zu zweit nicht schnell genug starten. Dann ist es soweit. Der Schirm wird hochgezogen, und dann bekomme ich schon das Kommando, so schnell es geht den steilen Hang runterzurennen. Ich hätte mich wohl noch einen Tick schneller runterstürzen sollen, denn die Baumwipfel rauschen keinen halben Meter unter meinen Füßen durch. Dann ist der Flug purer Genuss. Der leuchtende Bergwald zieht unter uns vorbei, und wir schweben um den Hochfellngipfel herum und Richtung Talstation.



Schweben ist gut, laut GPS-Track geht es mit bis zu 50 km/h dahin, und so landen wir nach guten zehn Minuten wieder auf einer Wiese bei der Talstation. Richtige Thermik gibt es so spät im Herbst wohl nicht mehr. Auf alle Fälle war es ein tolles Erlebnis.

Unter www.tandemkollegen.de kann man nachlesen, wie man zu so einem Flug kommt, ohne sich beim Chiemgauer 100er ins Ziel durchzuschlagen und dann noch unverschämtes Losglück zu haben.

Samstag, 6. Oktober 2012

Goldener Oktober die Erste - Ammergauer Alpen

Eigentlich wollte ich ja mal etwas kürzer treten. Aber was kann ich dafür, wenn einen zwei wunderbare Herbsttage nach draußen ziehen. Am Freitag war es ja noch nicht ganz so "schlimm", da lief ich nur die mittellange Runde um die Stadt.

Aber soll ich am Samstag wirklich zuhause bleiben? Sonntag ist schlechtes Wetter angekündigt, da ist ja noch genug Zeit für "Innendienst". Also stehe ich Samstag morgens wieder einmal auf einem Wanderparkplatz, diesmal in den Ammergauer Alpen kurz hinter Schloss Linderhof. Dort trabe ich erstmal dem Kini durch den Vorgarten. Auch wenn der vielleicht einen leichten Hau hatte, er wusste doch, wo es schön ist. Nur brauche ich eine Weile, bis ich in zwischen all den Laubengängen und maurischen Kiosken den Beginn des Weges zum Pürschling finde.



Einmal auf dem richtigen Pfad, geht es steil bergauf. Soweit irgendwie möglich, versuche ich mal, bergauf zu laufen. In kurzen Schritten geht es. Am August-Schuster-Haus angekommen, stelle ich fest, dass der Pürschling, einer der Münchner Paradesonntagsausflüge, eigentlich kein richtiger Berg ist, sondern nur ein kleiner Mugel, der direkt neben der Hütte liegt. Also mache ich mich gleich auf zum Teufelstättkopf, dem ersten Eckpunkt meiner Tour. Ganz kurze Kraxelei, dann stehe ich am Kreuz. Von hier aus sind die weiteren Gipfel aufgereiht wie auf einer Perlenkette zu sehen. Geplant habe ich, bis zur Klammspitze zu kommen, dem felsigen Dreieck rechts im Bild. Weiter hinten in der Bildmitte sieht man noch die Hochplatte.



Immer wieder interessant zu sehen, wie flach Bayern ist. Ok, da ist natürlich der Alpenrand (also im folgenden Bild das bewaldete Hörnle), da geht es aufwärts. Aber nördlich davon: topfeben.



Länger halte ich mich mit derlei geologischen Betrachtungen aber nicht auf, denn ein wunderschöner Weg wartet auf mich. Mal geht es knapp unterhalb des Kammes entlang, mal direkt darauf. Die diversen Gipfel quert man unterhalb, so dass es immer Abstecher nach oben gibt. Die müssen heute natürlich sein. Nach dem Teufelstättkopf folgt das Laubeneck. Kurzer Abstecher vom Weg nach oben, beinahe weglos. Dieser Gipfel wird sicher nicht allzu häufig besucht.



Wunderschön ist es, wenn die Herbstsonne das Laub zum Leuchten bringt. Der Weg ist zwar schmal, aber bis hier überwiegend gut zu laufen.




Der nächste Kipf ist der Hennenkopf. Wieder ein kurzer Abstecher nach oben. Vor dem Brunnenkopfhaus treffe ich wieder auf den Maximiliansweg, der bis dahin südlich unterhalb des Kammes verlief. Auf dem Weg zur Hütte ist natürlich inzwischen einiges los. Ich muss zugeben, dass es mir schon einen gewissen Spaß bereitet, an den vernehmbar keuchenden, rotgesichtigen Gelegenheitswanderern vorbei locker-flockig zur Hütte hochzutraben. Schnell noch auf den Brunnenkopf, heute Gipfel Nummer vier, und dann weiter zur Klammspitze. Hier wird es dann so steil, dass Schluss ist mit der Lauferei. Die einfache Kraxelei hoch zum Gipfel ist halb so wild und macht richtig Laune.

Dass ich diesen Berg heute nicht für mich alleine habe, ist klar. Die Aussicht auf die anderen Ammergauer Gipfel, das Karwendel, den Wetterstein, die Lechtaler ist einfach phänomenal. Ganz hinten lugen sogar noch ein paar der Ötztaler Berge vor. Im Bild der Blick nach Osten, das Graswangtal vor, über das Estergebirge hinweg. Ganz hinten sieht man noch die Spitze des Guffert.



Mein Weg führt aber weiter nach Westen. Erstmal wieder runter von der Klammspitze. Dann wird es ein kleines bisschen ernster, denn der schmale Pfad führt durch eine etwas steilere Flanke. Dann wieder ein Aufschwung, und ich bin auf dem Feigenkopf, Gipfel Numero sechs (das ist der dachförmige links der Bildmitte; rechts sieht man den Forggensee). Vom Feigenkopf wieder runter, und weil's so schön ist, gleich noch hoch zum Grubenkopf, Nummer sieben.



Die meisten Blumen sind inzwischen verblüht, aber die Silberdisteln leuchten noch aus dem Gras.




Eigentlich könnte ich es jetzt gut sein lassen, zum Sägertalbach runter und dann durch das Tal zurück zum Parkplatz. Aber auf der anderen Seite lockt die Kenzenhütte. Wäre danach eben noch ein Gegenanstieg von 400 Metern. Egal, eine halbe Stunde später sitze ich vor der Hütte, lasse mir die Sonne auf den Rücken brennen und genieße mein Weißbier. Alkoholfrei natürlich, ich will ja heute wieder heimkommen.

Nach dieser Pause dauert es etwas, bis mein Kreislauf wieder auf Touren ist. Kurz nach halb vier treffe ich auf eine Weggabelung unterhalb des Lösertaljoches, von dem aus es nur noch nach unten geht zurück zum Auto. Aber es ist ja noch ein ganzes Stück Tag übrig. Da könnte ich doch noch ...

Also nicht links zum Joch, sondern nach rechts, Richtung Hochplatte. Allerdings habe ich etwas unterschätzt, wie lange sich das zieht. Auf dem letzten Stück vor dem Kreuz muss ich nochmal aufpassen, denn es bläst inzwischen ganz schön hier oben. Und einen leichten Anflug von Ausgesetztheit hat es auch noch für ein paar Meter. In großen Schritten eilt sie herbei, die Kaltfront aus dem Norden. Sicht- und spürbar wird es frischer, und ich beeile mich, wieder wegzukommen. Vorher aber noch ein Rundblick auf das Meer von hunderten von Gipfeln.



Vor dem Lösertaljoch schaue ich nochmal zurück zur Hochplatte.

 

Der Himmel ist komplett bewölkt, und bald wird es auch dunkel. Nix wie hoch zum Joch und auf der anderen Seite runter. Anfangs geht es noch etwas mühsam. Die Kühe hier oben haben beim Almabtrieb noch ganze Arbeit geleistet und den Weg streckenweise in Sumpf verwandelt. Endlich erreiche ich das Sägertal, und auf dem nun breiten Weg gebe ich nochmal Gas. Immerhin ist es noch nicht ganz dunkel, als ich wieder am Auto ankomme.

Wow, war das ein Herbsttag! Carpe Diem, wie der Mongole sagt, und viel besser hätte ich ihn wohl auch nicht ausnutzen können. An den zu erwartenden trüben, regnerischen Tagen werde ich einfach die Augen schließen und daran zurückdenken. Ach ja, ausruhen kann ich dann ja nächste Woche.

Wenn jemand sich inspiriert fühlt: die Tour hat 43 Kilometer und etwas 3000 Höhenmeter. Auch für sportliche Wanderer an einem Tag machbar, wenn man vielleicht die Hochplatte weglässt.