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Freitag, 26. April 2013

Tirol auf's Dach gestiegen

Wie so oft in diesem Frühjahr fällt das schöne Wetter wieder nicht auf's Wochenende. Aber wenigstens kann ich jetzt mal freinehmen. Ab Mittwoch Nachmittag, aber Freitag um zwei muss ich wieder zuhause sein.

Zeit hat so kurzfristig natürlich niemand, also packe ich alleine Ski und Rucksack ins Auto, und los geht's. Es ist eine ganz schöne Kurverei bis Vent, und als ich endlich da bin, ist es schon sieben Uhr abends. Klamotten gewechselt, rein in die Skischuhe. Ich hätte es mir sparen können, die Ski an den Rucksack zu schnallen, denn etwas Schnee liegt auf der Skipiste noch fast bis in den Ort.



Soweit ich sehen kann, ist es die einzige Piste. Zwei Lifte, das war's. Welch angenehmer Kontrast zum nahen Sölden! In Vent hat sich das Konzept für den Alpentourismus von Franz Senn bis heute erhalten. Wie modern das doch heute wieder ist, im Gegensatz zum hochgezüchteten "Event-Berg- und Skiurlaub" andernorts.

Wie auch immer, ich steige hoch Richtung Breslauer Hütte. Die Sonne färbt die Berge kurz rot, dann übernimmt der Vollmond über der gegenüberliegenden Talseite das Regiment.



Nach knapp zwei Stunden bin ich an der Hütte. Sie ist zu dieser Zeit noch nicht bewirtet, aber der Winterraum - in einem speraraten Gebäude - ist geöffnet. Ich habe die großzügige Stube und das Lager für mich alleine.  Mein Abendessen besteht aus einer Tüte Erdnüsse, dann versuche ich zu schlafen, so gut es geht. Die erste Nacht auf dieser Höhe war nicht ganz so erholsam wie erhofft. Eine Stunde, bevor eigentlich der Wecker klingeln sollte, stehe ich auf, zerhacke eines der Holzbriketts, und mache erstmal Feuer im Holzherd. Schnee hat es draußen ja genug, und so kann ich meine Trinkflasche auffüllen und den Luxus eines heißen Tees zum Frühstück genießen.

Kurz nach sechs mache ich mich auf den Weg. An der Hütte kommen gerade auch zwei vorbei, die heute schon von Vent aufgestiegen sind. Locals, die eben mal eine Halbtagestour auf die Wildspitze machen. Ich gehe ihnen nach, über den relativ flachen Mitterkarferner. Am Ende wartet ein Kessel, aus dem der Weg über das am wenigsten steile Kar zum Mitterkarjoch führt. Das hat aber immer noch bis zu 50°, und angesichts des bockhart gefrorenen Schnees bin ich doch froh, Pickel und Steigeisen dabei zu haben.

Oben kommen die Ski wieder unter die Füße. Eine Querung, drei Kehren bis zum Skidepot. Dann noch eine kurze Kraxelei an den Gipfelfelsen, und ich stehe am höchsten Punkt (Nord-)Tirols. Dass hier die Luft etwas dünner ist, habe ich beim Aufstieg schon gespürt. Vernünftig akklimatisiert wäre es sicher leichter gewesen.



Das Panorama ist der schiere Wahnsinn. Hier der Blick nach Süden. Am rechten Bildrand ganz hinten sieht man Königspitze, Zebru und Ortler.



 Etwas weiter östlich sieht man in der Ferne die Dolomiten.



Und hier der Blick über den Nordgipfel.



Noch sechs Leute sind am Gipfel. Auch aus der Gegend. Sie haben die Ski mit hochgenommen und fahren über das Südcouloir ab - 450 Meter hoch und über 50° steil. Wow!

So schön es hier oben auch ist, irgendwann muss ich weiter. Auf dem Weg zum Brochkogeljoch sieht man den Doppelgipfel der Wildspitze nochmal sehr schön.



Auf dem Taschachferner.



Vom Brochkogeljoch fahre ich über sehr schöne Hänge ab zum Vernagtferner. Hier entscheide ich mich, nochmals aufzufellen und zum Aufstiegsweg zur Hochvernagtspitze zu queren. Inzwischen macht sich nicht nur die Anstrengung in der Höhe bemerkbar, auch die Mittagssonne brennt ganz nett.



Irgendwann habe ich dann die Hochvernagtspitze erreicht. Ich belasse es beim Wintergipfel, die Querung zum wenige Meter höheren Hauptgipfel ist mir im jetzt schon ganz schön aufgeweichten Schnee zu heikel.

Die Abfahrt zur Vernagthütte ist dann kein pures Vergnügen. Der Schnee ist einfach zu weich, idealen Firn hätte es vermutlich zwei, drei Stunden früher gegeben.



Die Hütte ist ziemlich voll, trotzdem bekomme ich noch ein Lager. Bis zum Abendessen lege ich mich noch etwas hin. Beim Essen sitze ich mit drei Reichenhallern am Tisch, die die Venter Runde an drei Tagen durchziehen. Diese Skidurchquerung der Ötztaler Alpen ist normalerweise schon mit einem Zeitkontingent von fünf Tagen konditionell ziemlich anspruchsvoll!

Die Nacht verläuft dann eher unruhig. Das Lager liegt etwas ungünstig, so dass alle aus den umliegenden Zimmern und Lagern bei mir am Fußende vorbeimüssen, wenn sie nachts das Örtchen aufsuchen.

Die meisten stehen um fünf auf. Passt mir sehr gut, da ich auch früh aufbrechen muss, wenn ich heute noch einen Gipfel "mitnehmen" will. Kurz nach sechs stehe ich wieder auf den Brettern und gehe Richtung Fluchtkogel. Leider ist das Wetter nicht mehr so kaiserlich wie gestern.



Ich scheine mich über Nacht doch einigermaßen erholt zu haben. Keine zwei Stunden nach dem Aufbruch stehe ich am Gipfel. Leider hat es kurz vorher komplett zugemacht, und so sehe ich auf einem der schönsten Aussichtsgipfel der Ötztaler nur wenige Meter weit.



Nach kurzer Abfahrt befinde ich mich wieder unter der Wolkendecke. Das Brandenburger Haus, die höchste Hütte des DAV, sieht man gerade noch.



Bei der Abfahrt komme ich nochmal an der Vernagthütte vorbei.



Dann wird der Schnee ziemlich tief, das Abfahren sehr mühsam. An zwei Stellen muss man die Ski ein stückweit tragen. Irgendwann ist dann endgültig Schluss mit der weißen Pracht, und die Ski kommen an den Rucksack. Ein Vergnügen sind die vielleicht fünf verbleibenden Kilometer bis Vent mit dem schweren Gepäck und in Skistiefeln nicht, aber das gehört bei einer Frühjahrstour eben auch mal dazu.


Um halb elf bin ich wieder am Auto, und so bin ich bequem rechtzeitig wieder zuhause. Das waren tolle anderthalb Tage!