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Samstag, 5. Mai 2012

Rund um den Wetterstein

Die Tage sind wieder länger, die Nächte wärmer, und jetzt ist sie wieder da, die Lust, den einen oder anderen Lauf länger auszudehnen. Aber warum macht man das? Wer dem Reiz der Ultraläufe erlegen ist, dem muss man das nicht erklären. Allen anderen kann man das wahrscheinlich nicht erklären.

Das Wetter wäre am Freitag nochmal ganz gut. Aber welche Strecke wäre geeignet? Ganz sicher irgendwo in der Ebene? Oder mal schauen, wieviel Schnee noch in der Höhe liegt, mit dem Risiko, umdrehen zu müssen? Ein bisschen Abenteuer durfte es sein, also stand die Strecke des Zugspitz-Ultratrail auf dem Plan.

Ich würde früh los müssen. Ganz früh. Also ging es am Abend vorher um sieben ins Bett, und um elf klingelt der Wecker. Kurz vor eins laufe ich in Grainau los. Der Himmel ist klar, und der noch nicht ganz volle Mond leuchtet vom Himmel. Die Strecke über Hammersbach und den Höhenweg zum Eibsee kenne ich inzwischen ganz gut, und so komme ich zügig voran.

Neben dem Wanderweg zur Hochtörlenhütte macht jemand Werbung. Ob er mit den Hasen, Füchsen, Rehen und sonstigen Bergwaldbewohnern die richtige Zielgruppe erreicht? Menschen kommen hier jedenfalls nicht viele vorbei.



Genauso spaßig ist kurz danach der Hinweis auf die nur tagsüber geöffnete Alpenrepublik.



Der Weg zur Talstation der Ehrwalder Zugspitzbahn und das folgende Auf und Ab über Skipisten und mehr oder weniger schmale Pfade ist auch bei Dunkelheit nicht schwierig, und nach 4 Stunden bin ich auf der Ehrwalder Alm angekommen. Hier gibt es ein ausgiebigeres Frühstück aus dem Rucksack, bevor es zur Hochfeldernalm weitergeht. Inzwischen ist es hell geworden.


Jetzt ist erstmal Schluss mit lustig. Der Weg zum Brandner Joch quert steile Schneefelder, und die sind noch bockhart gefroren. Mit gar so viel Schnee hatte ich hier auf der Südseite nicht mehr gerechnet. Mit der Schuhspitze der weichen Trailrunningschuhe kann ich dem Schnee nichts anhaben. Aber der hintere Teil der Sohle hat einen harten Rand. Also schlage ich mal fest die Hacke in den Schnee - und es geht, es gibt einen kleinen Tritt, in den ich dann die Schuhspitze stellen kann. So quere ich die ersten Schneefelder. Hacke - Spitze - nächster Tritt, Hacke -Spitze - nächster Tritt. Ging das im Tanzkurs nicht so ähnlich?

Irgendwann ist der Schnee so hart, dass ich auch mit der Ferse nicht mehr reinkomme. Hier wäre nun endgültig Schluss, wenn nicht am Tag vorher eine Gams dort rübergequert wäre, und eine nun festgefrorene, griffige Spur hinterlassen hätte. Mit ihrem feinen Gespür für das Gelände halten die Tierchen sich auch im Winter oft an die unter dem Schnee verlaufenden Wanderwege. Meine Fortbewegungsart steht so sicher nicht im alpinen Lehrplan, und mit Grödeln wäre mir auch etwas wohler, aber ich halte es noch für verantwortbar.

Nach dem Brandner Joch führt der Weg (Welcher Weg? Es hat nur Schnee.) kurz nach unten, und hier passiert mir etwas ziemlich Ärgerliches. An gänzlich ungefährlicher Stelle ist wohl kurz die Konzentration weg und mein Fuß rutscht weg. Ich ramme zwar den anderen gleich wieder in den Schnee und stehe wieder. Die Schramme, die ich mir dabei an der Wade geholt habe, ist nicht schlimm. Aber bei der Aktion hat sich einer meiner Stöcke etwas tiefer in den Schnee gegraben. Und da ich beim Ausrutschen in der Handschlaufe hing, hat das Verbindungsstück dem Hebel nicht standgehalten, und die untere Hälfte baumelt jetzt an der oberen. Reparaturversuche mit Tape halten nicht lange. Und ein einzelner Stock hilft nicht viel. Vor allem, da das folgende Auf-Ab-Spiel größtenteils im Schnee stattfindet.


Hier geht es runter, auf der gegenüberliegenden Seite wieder hoch.


Wieder runter.


Mit grandiosem Blick auf die Hohe Munde und über das Inntal hinweg.


Und auf den Hochwanner.


Die Hämmermoosalm liegt ein Stück tiefer, hier sind die Wege mal eine ganze Weile schneefrei. Leider hat die Alm noch geschlossen, vielleicht hätten die vernünftiges Montageband für den lädierten Stock gehabt.


Weiter geht es, hoch zum Scharnitzjoch, runter durchs Puittal. Hier wieder das gewohnt weiße Bild. Die Sonne hat inzwischen ganze Arbeit geleistet, und ich sinke teilweise bis zum Oberschenkel ein.


Irgendwann bin ich doch wieder in Leutasch unten, Schuhe und Socken trotz Gamaschen patschnass. Zum Fotografieren fehlen mir inzwischen die Nerven, das Schneegestapfe war zermürbend. Irgendwie trotte ich über die Gitter der Leutascher Klamm, durch Mittenwald, hoch zum Ferchensee.

Hier fällt die Entscheidung: das Frühjahrsabenteuer auf dem ZUT ist für mich hier zuende. Ich müsste noch mindestens die halbe Nacht durchlaufen, in der Höhe vermutlich wieder über verschneite und deshalb schwer zu findende Wege. Also laufe ich am Abzweig vorbei, geradeaus weiter nach Schloss Elmau, am Ferchenbach entlang bis zur Partnachklamm und durch diese nach Partenkirchen. Die Abendsonne verzaubert Wiesen und Bäume, und ich erhasche noch einen Blick auf Zug- und Alpspitze aus ungewohnter Perspektive.

 

Ganz zum Schluss gibt es nochmal eine Portion Mentaltraining: kein Bus fährt mehr vom Skistadion, und so warten noch 8 Kilometer Asphaltstraße auf mich. Kurz nach 10 Uhr bin ich wieder am Auto.