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Samstag, 16. Juni 2012

Achenseerunde

Den Wetterstein kenne ich ja nun einigermaßen. Aber man kann ja auch mal Neuland entdecken. Also bin ich Freitag nachmittag nach Achenkirch gefahren und habe dort am Wanderparkplatz ziemlich nah beim See das Auto abgestellt. Eine Runde um den Achensee habe ich mir vorgenommen, und die sollte natürlich in der Höhe stattfinden.

 Es kann schon sein, dass es etwas schräg ist, um vier Uhr nachmittag zu einer Tour in die Berge aufzubrechen. Aber wenn der Plan funktioniert, wieso nicht? Bei bestem Wetter erreiche ich die Seekaralm, auf dem Fahrweg noch teilweise im Laufschritt, und von hier aus geht es auf die Seekarspitze. Bei der Steilheit ist natürlich mit Laufen nichts mehr drin, und ein paar Kraxeleinlagen sind auch dabei.



 Phänomenal ist der Blick auf den Achensee, und über das Inntal hinweg auf die Tauern und die Zillertaler Alpen.



Vom Gipfel aus ist der weitere Wegverlauf vorgegeben. Es gibt keine andere Möglichkeit als den Grat entlang, manchmal ein paar Meter links, manchmal rechts davon. Hier sind dieses Jahr noch nicht viele gegangen, und an einigen Stellen merkt man das dem Weg auch an. Mit meinen leichteren Trailschuhen bin ich daher doch etwas vorsichtig. Vor der Seebergspitze ist wieder etwas einfache Kletterei dabei.

 

Hier der Blick zurück zur Seekarspitze.



Und die Aussicht über das Karwendel hinweg zu den Zillertalern.


Nach der Seebergspitze führt mich der Weg noch ein Stück am Grat entlang, dann hinunter nach Pertisau.



Abendstimmung.



Auf dem Weg nach unten zerreißt ein Knall die Stille und hallt sekundenlang von den umliegenden Bergen wieder. Wie von einem Flugzeug, das die Schallmauer durchbricht, nur noch lauter. Es knallt ein zweites Mal, danach ertönt Blasmusik aus dem Tal. Ach so, die Pertisauer feiern was, und vermutlich durfte die Schwarzpulvergilde ihr Können unter Beweis stellen.



In Pertisau beginnt die Ausgehzeit, und ich werde von den flanierenden Urlaubern etwas befremdet beäugt. Nicht lange, und ich bin wieder aus dem Ort raus, aufwärts Richtung Zwölferkogel, auf den auch eine Bergbahn führt. Abendstimmung legt sich über den See, die Sonne streift noch die Gipfel.



Kurz nach dem Zwölferkogel erreiche ich die Bärenbadalm. Als ich am Brunnen meine Trinkblase auffülle, rückt der Bergbauer an, der den Brunnen ebenfalls für das Füllen der Viehtränke braucht. Ganz freundlich fragt er mich, ob er das Wasser noch ein Stück aufdrehen will. Nein, bin schon fertig. Wo es noch hingeht - es wird Nacht. "Aber a Lampn host dobei, do foit si nix." Und eine schöne Nacht wünscht er mir noch. Zwei andere seien mit Schlafsack auf den Bärenkopf. Sicher auch schön heute.



Auf dem Weißenbachsattel ist es dann duster, und die Stirnlampe kommt zum Einsatz. Der Plan funktioniert, es folgt ein zwar nicht sehr interessanter, aber willkommen einfach zu laufender Fahrweg nach Maurach. Wieder ein paar erstaunte Blicke, diesmal der Nachtschwärmer. Schließlich ist es inzwischen kurz vor zwölf. Nicht so toll ist, dass ich vom Ortsende bis zur Kanzelkehre wohl oder übel auf der Achenseestraße laufen muss. Aber das sind nur gut zwei Kilometer.

Der Fußweg Richtung Rofansiedlung, dann der Fahrweg hoch in Richtung Schmersteinalm ziehen sich jetzt wie Gummi. Eigentlich müsste es einen Fußweg geben, der ab und zu die Kehre des Fahrweges abkürzt, aber der ist nicht ausgeschildert, und so bei Nacht für mich nicht sichtbar. Die Müdigkeit macht langsam aber sicher die Beine schwer. In der Nähe der Alpbühelalm mache ich Pause und werfe drei Riegel ein. Endlich auch mal eine Gelegenheit, den grandiosen Sternenhimmel zu betrachten.

Wenig später erreiche ich die Stelle, an welcher der Weg zum Vorderen Sonnwendjoch abzweigt. Gerade hier bedecken die Reste einer mächtigen Lawine den Fahrweg, gemischt mit größeren Steinbrocken, Erde und Gras. Irgendwo metertief begraben muss der Abzweig sein. Etwas zweifelnd steige ich in die Richtung, die das GPS mir angibt (zum ersten Mal auf der ganzen Tour brauche ich das hier), und sehe nach vielleicht zweihundert Metern dann wirklich auch den Pfad. Glück gehabt.

Bei Tag ist der Weg auf das Sonnwendjoch vermutlich nicht schwer. Jetzt in der Nacht beschleicht mich aber in den steilen, ins schwarze Nichts abfallenden Grashängen ein Gefühl der Ausgesetztheit, was mich ziemlich bremst. Zudem haben wohl einige Grundlawinen den Weg hier und da mitgenommen, was das Ganze nicht gerade angenehmer macht.

Auf dem letzten Stück zum Gipfel wird es langsam hell. Allerdings pfeift mir der Wind unangenehm stark und kühl um die Ohren. Die leichte Regenjacke und -hose kommen zum Einsatz - wenigstens nicht umsonst mitgeschleppt. Hinter dem Inntal kündigt sich schon die Sonne an.



Auf dem Sonnwendjoch hat tatsächlich eine Schafherde genächtigt. Erstaunlich, wo die überall hochkommen. Ich lasse sie im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und folge dem Rücken zum Sagzahn. Dann muss ich ein paar Minuten die Aussicht genießen, und mir natürlich auch noch die sogenannte Schokoladentafel anschauen, eine vielleicht 100 Meter hohe, gekrümmte Felsplatte.



Als nächster Gipfel steht die Rofanspitze auf dem Programm - die ist vom Sattel nach dem Sagzahn aus schnell erreicht. Wieder ein toller Blick, diesmal in die steilen Nordabstürze des Rofan.



Auf dem Plan hatte ich nun eigentlich den Übergang zum Hochiss. Nach einigen hundert Metern verwerfe ich diesen aber. Auch hier haben einige Schneerutsche den Weg in Mitleidenschaft gezogen. Und da will ich mich mit meinen leichten Trailschuhen nicht drüberzittern. Richtig ernst wäre ein Ausrutscher zwar nicht, aber etwas Haut würde es doch kosten. Außerdem bin ich müde und erschöpft, und irgendwie reicht es.

Also ab durch den Geröllhang auf den Weg zur Erfurter Hütte, von da weiter zur Dalfazer Alm. Für den Übergang zur Kotalm muss ich wieder einige hundert Höhenmeter nach oben zum Steinernen Tor, und habe dabei ganz schön zu kämpfen. Die Sonne brennt gnadenlos, und so habe ich nur wenig für die wunderschöne Landschaft übrig.



Auch der Weg nach unten zur Kotalm und weiter zur Köglalm zieht sich wieder. Jeder kleine Gegenanstieg kostet Kraft und Motivation. Endlich erreiche ich die Köglalm, und von hier ab geht es nur noch nach unten Richtung Achenkirch. Immerhin habe ich noch einen schönen Blick auf Seekar- und Seebergspitze, mit deren Überschreitung ich meine Runde gestern nachmittag begann.



Punkt zwölf bin ich wieder am Auto. Vor der Heimfahrt gönnen ich mir aber noch einen Sprung in den ziemlich kalten See.