Seiten

Samstag, 27. Juli 2013

Der Chiemgauer 100er - wieder eine heiße Sache

Zum fünften Mal hatte ich mich beim Chiemgauer 100er angemeldet, und mit etwas Glück auch einen der begehrten Startplätze ergattert. Jetzt ist es soweit.

Also same procedure as last year, Freitag morgens los, auf der A8 beim Chiemsee im Stau stehen, dann aber doch noch vor zwölf im Stadion in Ruhpolding ankommen. Viele Bekannte aus den letzten Jahren sind auch wieder da.

Da die 100-Meilen-Strecke aufgrund einiger Änderungen ein Stückchen schwerer geworden ist, gibt es dieses Jahr die Möglichkeit, schon um 14 Uhr zu starten. Und eigentlich will ich dies in Anbetracht der vorhergesagten Temperaturen auch wahrnehmen. Aber Dirk, mit dem ich vor zwei Jahren schon etliche Kilometer hier gelaufen war, überredet mich, mit ihm erst um 15 Uhr loszulaufen. Dann hole ich meine Startnummer, klatsche die 14-Uhr-Gruppe mit auf den Weg, ziehe mich dann selbst um. Um drei geht es also los.



Dirk und ich sind eigentlich ein gutes Team: er zieht mich auf den ebenen Teilen und den Berg runter, ich ziehe ihn den Berg rauf. Allerdings ist das in Anbetracht der Gesamtstrecke und des doch ziemlich sommerlichen Wetters eine gefährliche Mischung. Den ersten Verpflegungsposten nach 18,5 Kilometer und knapp 700 Höhenmetern erreichen wir nach zwei Stunden - wir sind viel zu schnell unterwegs.



Einige Kilometer später schließt noch Stefan zu uns auf, und es geht als Dreiergruppe weiter. Trails, Forstwege, wunderschöne Ausblicke auf die umliegenden Berge und den Chiemsee.
 


Irgendwann wird es dann dunkel. An der nächsten Versorgungsstelle bei Kilometer 52 fülle ich erstmal meine Trinkblase ganz auf. 3 Liter wiegen zwar, aber ich will nicht riskieren, irgendwann "trocken zu laufen".

Dann folgt der aus den Vorjahren bestens bekannte Anstieg zur Kohleralm, die erstklassige Stimmung an der Kontrollstelle dort oben, von der gleichbleibenden Mannschaft zur kleinen Versorgungsstelle ausgebaut, dann der steile Abstieg. Gut, dass man bis zur Anmeldung für das nächste Jahr diese nächtlich Strapaze immer wieder verdrängt hat.

Inzwischen sind mir die anderen beiden auf den Gefällstrecken der Forstwege, die es auf diesem Abschnitt doch häufiger gibt, zu schnell. Ein leichtes Zwicken im unteren Schienbein lässt mich irgendwann abreißen. Die nächsten 20 Kilometer zurück zum Stadion absolviere ich also alleine. Allerdings muss ich mich dabei doch wesentlich stärker auf die Streckenmarkierungen konzentieren, vor allem, da es in diesem Bereich im Vergleich zu den Vorjahren eine Streckenänderung gibt.

Kurz vor fünf komme ich im Stadion an, ziehe mir ein neues, trockenes Shirt an, lege eine neue Lage Sonnencreme auf, und mache mich auf die nächste Schleife. Meine beiden Mitstreiter sind nur eine viertel Stunde früher los, vielleicht werde ich sie nochmal sehen. Die nächsten 5 Kilometer sind mit 700 positiven Höhenmetern gespickt, und da mache ich ordentlich Dampf, um möglichst weit zu kommen, bevor die Sonne wieder heizt. Vor dem Anstieg zur Hörndlwand treffe ich die beiden wieder, und so sind wir wieder gemeinsam unterwegs. Oben ist der Blick auf Wilden Kaiser und Hohe Tauern phänomenal und entschädigt etwas für den folgenden, schwierigen Abstieg. Unten wartet schon der nächste Versorgungsposten Röthelmoos.




Bei Dirk läuft es nicht mehr ganz rund, und er beschließt, die 129-Kilometer-Option zu wählen (es gibt beim Chiemgauer 100er sowohl auf der 100-Meilen- wie auch der 100-Kilometer-Strecke offizielle Abkürzungsoptionen mit eigener Wertung). Also ziehe ich mit Stefan alleine weiter - beliebige Zeitreserven haben wir auch nicht. Mit jeder Stunde wird es heißer, ab und zu verschafft aber etwas Wind Erleichterung.

Mir geht es inzwischen auch nicht mehr gut, ich habe das Gefühl, auf Reserve zu laufen. An der Versorgungsstelle Maria Eck bei Kilometer 128 versuche ich, bewusst viel zu trinken. Beim Aufbruch sind aber meine Beine fast wie gelähmt, ich schaffe es zunächst nicht einmal, anzutraben. Nach zwei, drei Kilometern geht es aber wieder. Vielleicht ist die Flüssigkeit inzwischen angekommen, wo sie hin muss. Und so laufe ich, so schnell es geht. Schließlich will ich zumindest Stefan die Chance auf die Gesamtstrecke wahren - er hatte letztes Jahr wegen Gewitters auf 141 km abkürzen müssen. Um vier sind wir in Egg, der letzten Kontrollstelle vor dem Hochfelln-Anstieg. Hier ist auf einmal verdrehte Welt. Bei Stefan - der bisher überhaupt kein Problem gehabt hat, welches Tempo meinerseits auch immer mitzugehen - macht sich vermutlich die Hitze in Form von leichtem Schwindelgefühl bemerkbar, und obwohl er sehr gerne die 100-Meilen-Strecke finishen würde, will er den doch etwas alpinen Auf- und Abstieg vorsichtshalber nicht angehen und nimmt die 141-Kilometer-Option. Großen Respekt habe ich vor dem großen Maß an Vernunft, das er hier walten lässt. Mir geht es "den Umständen entsprechend" prächtig - das finde ich beinahe etwas unfair.

Anderthalb Stunden später bin ich auf dem Hochfelln, und nach einer Versorgungspause habe ich massig Zeit, um im Zeitlimit ins Ziel zu gelangen. Den größten Teil der doch zähen Kilometer zurück zum Stadion kann ich noch laufen - bis auf einige Gegenanstiege. Es braut sich noch ein kleines Gewitter zusammen, aber ich habe Glück. Einerseits entkam ich dem Guss, andererseits konnte ich noch ein ganz nettes Bild einfangen.



Die letzten drei Kilometer sind ausgeschildert, und ich schaue auf die Uhr. 20 Minuten habe ich noch, um eine 2 vor der Zeit stehen zu haben. Mich packt nochmal der Ehrgeiz, ich schaffe diese 3 Kilometer wirklich in 17 Minuten und lande bei 29:57 Stunden (hätte aber auch noch 2 Stunden Zeit bis zum Zielschluss). Im Ziel ist mir davon aber doch etwas schwummerig, und ich setze mich erstmal für ein paar Minuten, bevor ich mich über Wurstsemmeln und Weißbier hermache. Isogetränk kann ich jetzt allerdings eine Zeit lang nicht mehr sehen.

So, das war's mal wieder in Ruhpolding. Wie gehabt eine schöne Strecke, eine tolle Organisation, herzliche Helfer, und eigentlich so etwas wie ein großes Familientreffen. Die Erinnerung an die sicher auch durchlebten Strapazen wird schnell verblassen, und ganz vesteckt und leise freue ich mich schon auf nächstes Jahr. So ich mir dann wieder zutrauen darf, solche Strecken zu laufen.

Noch was zu den Bedingungen: ja, warm war's, und mit den für die Gegend angekündigten 35 Grad Celsius sicher kein ideales Laufwetter. Trotzdem möchte ich mit allerlei Superlativen wie "schwierigst", "extrem" oder ähnlichem vorsichtig sein. Ja, es gab ein paar Stellen, an denen einem in der stehenden Hitze beinahe die Luft weggeblieben ist. Aber in der Höhe ging ab und zu auch mal etwas angenehmer Wind. Und durch das anhaltend gute Wetter war die gesamte Strecke praktisch trocken, was sie einfacher zu laufen machte (mag sein, dass man dadurch auch unvorsichtigter wurde, weswegen wohl mehr kleinere Unfälle durch Umknicken vorkamen als in anderen Jahren). Außerdem kann der Körper eine Menge ab, wenn man ihn unterstützt. Ich habe an Brunnen öfter mal Hose und Shirt durchnässt, und insgesamt ziemlich viel getrunken - grob geschätzt dürften 20 bis 25 Liter zusammengekommen sein. Hart ist der Chiemgauer 100er sowieso. Wenn man gesund ist und gut auf die Signale von innen hört, dann ist aber die Schippe, welche die Temperaturen vom Wochenende noch drauflegten, nicht mehr so riesig. Immerhin schaffte Nick Hollon die Strecke in unter 23 Stunden - knapp am alten Streckenreckord vorbei, aber die Änderungen der letzten beiden Jahre machen den Kurs inzwischen ja auch noch ein Stückchen anspruchsvoller (wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob man Nick als Maßstab nehmen sollte - wie der die Hörndlwand runter an mir vorbeiflog war schon außerirdisch).

Sollten sie es zufällig lesen, dann will ich mich hier auch ganz herzlich bei den beiden bedanken, mit denen ich viele Stunden durch's Chiemgau gelaufen bin. Alleine wäre mir das eine ganze Ecke schwerer gefallen.


1 Kommentar:

  1. Auch an dieser Stelle noch einmal: Herzlichen Glückwunsch und "Chapeau" für diese großartige Leistung!

    Ein toller Bericht und die Bilder machen Lust, gleich eine Runde laufen zu gehen.

    AntwortenLöschen